Brasilianer nehmen am Falling-Walls-Lab-Finale teil
Beim Finale des Falling Walls Lab (FWL) am 8. November gab es Beiträge von drei brasilianischen Teilnehmern. Victor Freitas, Micael Silva und Mariana Lopes präsentierten Lösungen für Nachhaltigkeit und öffentliche Gesundheit. Empfinden Sie die Emotionen der Kandidaten nach und lesen Sie ihre Tipps für Ihre eigene Teilnahme am FWL 2020.
Die Kandidaten waren sich in ihrer Begeisterung über die Veranstaltung einig: „Es hat sich total gelohnt. Ich war von unglaublich intelligenten Menschen und Innovatoren aus der ganzen Welt umgeben”, bekräftigte Mariana Lopes, Gewinnerin des FWL Arizona. „Man konnte die Anspannung und Nervosität in der Luft förmlich spüren, aber am Ende überwogen die Begeisterung, die Leistungen und das Engagement der jungen Wissenschaftler, die ihre Arbeit präsentierten”, sagte Victor Freitas, Gewinner des FWL Belo Horizonte, der vom DWIH São Paulo organisiert worden war. „Alle Arbeiten haben den Sieg verdient, was die Ehre, die ich für meine Teilnahme am FWL-Finale empfinde, noch erhöht“, betonte Micael Silva, der den vom DAAD mit der Unterstützung des DWIH São Paulo veranstalteten FWL Fortaleza gewonnen hatte.
Die von der Veranstaltung geförderte Suche nach bahnbrechenden Innovationen wird durch die Präsentationsform noch gesteigert: Die dreiminütigen Auftritte verlaufen mit großer Dynamik und erfordern eine exzellente Vorbereitung der Teilnehmer. „Es ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich!”, kommentierte Freitas, und Silva stimmte ihm zu: „Aus unserer Studienzeit sind wir umfangreichere Präsentationen gewohnt. Ich habe jedoch gesehen, dass diese Art in Europa sehr verbreitet ist.” Diese neue Form ist laut Lopes faszinierend, birgt aber auch Herausforderungen: „Ich hatte meine Arbeit schon früher präsentiert, aber diese Form war schwieriger und es erforderte einigen Mut, sich einem großen Publikum und den Kameras zu stellen, die jede deiner Bewegungen filmen.”
Die wissenschaftliche Kommunikation der Kandidaten sollte nicht nur kurz und bündig, sondern auch für ein nicht spezialisiertes Publikum verständlich sein. „Es ist sehr wichtig, dass die an brasilianischen Universitäten entwickelten wissenschaftlichen Projekte von der gesamten Öffentlichkeit verstanden werden, inklusive von denen, die nicht das Privileg einer höheren Schulbildung hatten. Wir müssen noch viel tun, damit unsere Forschung die allgemeine Bevölkerung wirklich erreicht”, bekräftigte Freitas.
Die Projekte
Victor Freitas präsentierte Breaking the wall of renewable aromatic molecules. Aromatische Moleküle sind ringförmige Moleküle, die eine hohe Stabilität aufweisen, wie zum Beispiel Benzol. Diese Moleküle finden eine Vielzahl von Anwendungen in den Bereichen Kosmetik und Pharmazie sowie bei Produkten für die Haushaltsreinigung. Sie sind jedoch von fossilen Brennstoffen abgeleitet, was gesundheitliche, wirtschaftliche und ökologische Probleme mit sich bringt. Wenn wir künftigen Generationen eine nachhaltigere Welt hinterlassen wollen, müssen wir unsere Produktionsprozesse neu gestalten und erneuerbaren Quellen Vorrang einräumen.
Lignin ist ein organisches Polymer, das pflanzliche Gewebe bildet und ihnen Festigkeit und Schutz verleiht. Seine chemische Struktur besteht aus einer großen Anzahl aromatischer Moleküle – was die Annahme zulässt, dass Lignin, an den richtigen Stellen geschnitten, eine geeignete Quelle für aromatische Moleküle ist. Durch einen von der Arbeitsgruppe des Professors am UFJF entwickelten Katalysator wird es möglich, Zuckerrohr-Lignin, dessen Wertschöpfung 1 US-Dollar pro Gramm nicht überschreitet, in Aromaten umzuwandeln, deren Wert 500 mal höher ist.
Micael Silva beteiligte sich mit dem Thema Breaking the wall of cements with high environmental impact. Zement ist Hauptbestandteil des Betons, des in der Industrie und im Bauwesen weltweit am häufigsten verwendeten Materials. Dass sein Herstellungsprozess extrem viel Kohlendioxid freisetzt, ist allerdings ein schwerwiegendes Problem: Die Zementproduktion ist für 8% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Kohlendioxid ist, wie allgemein bekannt, der wichtigste Verursacher des Treibhauseffekts und einer der Hauptfaktoren für die globale Erwärmung.
Umweltschädlich ist auch die Abbaumethode von Kaolin, auch weiße Tonerde genannt, das in großen Mengen in den USA, in der Ukraine und im brasilianischen Amazonasgebiet vorkommt. Beim Abbau wird schädlicher Kaolinschlamm in großen Mengen in die Umwelt eingeleitet – zu Lasten des lokalen Biotops und der dort lebende Bevölkerung. Die von Silva vorgeschlagene Lösung besteht darin, diesen Kaolinschlamm zu kalziniertem Ton zu brennen, der dann mit anderen Materialien zu LC³-Zement (Limestone Calcined Clay Cement) gemischt wird, eine ökologische Alternative zum Portlandzement.
Mariana Lopes widmete sich dem Thema Breaking the wall of water borne diseases. Schätzungen zufolge trinken weltweit 2 Milliarden Menschen mit Fäkalien verseuchtes Wasser, wodurch jährlich insgesamt 500.000 Menschen ums Leben kommen. Für die Wasserdesinfektion gibt es verschiedene Lösungsvorschläge, unter denen sich die Verwendung von UV-Licht, das von LEDs ausgestrahlt wird, heraushebt – eine Methode, bei der weder Antibiotika noch die Umleitung des Wassers erforderlich sind. Das Problem ist, dass diese LEDs sehr klein sind und aus diesem Grund sehr nah an die Bakterien gelangen müssen, damit diese abgetötet werden können. Mit anderen Worten, zur erfolgreichen Desinfektion wären Tausende von LEDs erforderlich.
Glasfaserkabel, die aus extrem feinem Glas bestehen, sind ideale Lichtwellenleiter, „wie ein Schlauch für das Wasser”, beschreibt die Kandidatin. Entlang dieser Glasfaserkabel sind Nanopartikel gekoppelt, die bewirken, dass die Photonen nicht dem Kabelverlauf folgen, sondern senkrecht zu seiner Achse austreten. Dieses austretende Licht ist stark genug, um Bakterien zu zerstören. Das Gerät kann in kleine Desinfektionssysteme integriert werden, was sehr praktisch ist, da Wasser nach dem Verlassen der Kläranlage häufig mit Rohrleitungsbakterien infiziert wird. Die Wand ist gefallen: Anstelle von 600 LED-Lichtquellen wird nur eine mit höherer Leistung verwendet, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Die Wissenschaftlerin arbeitet mit der NASA zusammen, die ihre Erfindung in Weltraummissionen ausnutzen will.
Veranstaltungsbilanz
Neben der Teilnahme am FWL-Finales wurden die Gewinner der brasilianischen Etappen mit zwei weiteren Preisen ausgezeichnet. Euraxess Brasilien bot ihnen die Möglichkeit, beliebige von ihnen gewählte Forschungs- und Innovationseinrichtungen in der Europäischen Union zu besuchen. Darüber hinaus unterstützte sie der DAAD mit einer sogenannten Innovationswoche, in der ihnen die Möglichkeit geboten wurde, eine Woche lang eine deutsche Universität zu besuchen und dort an einem speziell innovationsorientierten Programm teilzunehmen.
„Für den Euraxess-Preis habe ich die Universität Groningen (Niederlande) ausgewählt. Der Besuch war kurz, aber sehr produktiv! Ich konnte eine partnerschaftliche Beziehung aufbauen und werde jetzt in Brasilien nach Ressourcen suchen, um eine internationale Zusammenarbeit aufzubauen”, freute sich Freitas. Micael Silva konnte sich doppelt freuen, denn er besuchte gleich zwei Institutionen: die EPFL in Lausanne und die EMPA in Dübendorf, beide in der Schweiz.
„Im Rahmen der Innovationswoche habe ich mich für die TU Berlin entschieden, weil sie über große Erfahrung verfügt, Projekte in Start-ups und Spin-offs für die Chemieforschung umzuwandeln”, fährt Freitas fort. „Es war eine Woche, in der ich im Hinblick auf den Aufbau eines Geschäfts viel hinzugelernt habe.” Silva besuchte die TU Braunschweig: „Ich habe Start-ups, Inkubatoren, Lehrer und Doktoranden kennengelernt und Touren durch die Stadt unternommen – es waren einzigartige Erlebnisse!”
Zweifellos kehrten die Kandidaten mit reichen Erfahrungen nach Hause zurück: „Ich habe unzählige großartige Kontakte geknüpft, die ich erhalten möchte!”, sagte Lopes. Freitas glaubt, als Forscher reifer geworden zu sein: „Die Botschaft, die ich zukünftigen Wissenschaftlern in Brasilien überbringe, ist, dass sie einen neugierigen Blick auf die Probleme werfen, die uns umgeben. Dieser Blick wird in Zukunft den Unterschied ausmachen.” Silva nennt zudem die kulturelle Bereicherung: „Ich habe andere Kulturen, Religionen, Bräuche und Realitäten kennengelernt – aber alle hatten das selbe Ideal, sich über die Zukunft des Planeten Gedanken zu machen.”
Haben Sie die Begeisterung nachempfunden? Beachten Sie die Tipps, die die Finalisten zukünftigen Kandidaten geben!
„Mein Rat ist, das Drei-Minuten-Limit wirklich zu trainieren und darauf vorbereitet zu sein, auf wirklich inspirierende Menschen aus der ganzen Welt zu treffen”, kommentierte Lopes. „Ich habe viele Tipps! (lacht) Aber der wichtigste ist, in das Pitch-Training zu investieren”, glaubt Freitas. „Es lohnt sich, die Struktur der Präsentationen zu studieren, die Vorträge der Gewinner der letzten Jahre”, lautet der Tipp von Silva.
von Victor Moraes de Oliveira