Der Wettlauf um Impfstoffe und Behandlungen gegen Covid-19 hält an

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In der ersten Ausgabe von DWIH São Paulo Online Talks präsentierten Experten die vielversprechendsten wissenschaftlichen Fortschritte im Kampf gegen das neue Coronavirus. Brasilien ist an der Testphase für zwei der aussichtsreichsten Impfstoffe beteiligt.

In 188 Ländern haben sich bereits mehr als 18 Millionen Menschen angesteckt, wobei mehr als 700.000 Todesfälle registriert wurden – so die erschreckenden Zahlen im Hinblick auf das neue Coronavirus. Angesichts dieses Szenarios gibt es einen weltweiten Wettlauf auf der Suche nach einer wirkungsvollen Behandlung der Krankheit. Produktionsprozesse zur Herstellung von Arzneimitteln und Impfstoffen laufen weltweit auf vollen Touren.

Es gibt zwar bislang noch keine Behandlungen oder Impfstoffe, deren Heilungs- bzw. Immunisierungskraft hundertprozentig nachgewiesen wurde, aber es gibt vielversprechende Forschungsansätze, die bereits an Menschen getestet werden.

Diese Bestandsaufnahme präsentierten am Mittwoch, den 5. 8. die Experten Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Münster (WWU) in Deutschland, und Sotiris Missailidis, stellvertretender Direktor für technologische Entwicklung am Institut für Technologie für Immunbiologie (Bio-Manguinhos) der Stiftung Oswaldo Cruz (Fiocruz) in Rio de Janeiro im Webinar The Search for Medicine and Vaccines against Covid-19 (Die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19), das vom Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) São Paulo veranstaltet wurde.

Neben den eingeladenen Wissenschaftlern nahmen an dieser Veranstaltung auch die Moderatoren Professor Marcos Buckeridge, Direktor des Biowissenschaftlichen Instituts der Universität von São Paulo (IB-USP), sowie Marcio Weichert, Koordinator des DWIH São Paulo, teil. The Search for Medicine and Vaccines against Covid-19 eröffnete die Diskussionsserie DWIH São Paulo Online Talks zum Thema Surviving, Living and Shaping the Future in the Time of Covid-19 (Überleben, Leben und Gestalten der Zukunft in der Zeit von Covid-19), die sich mit den vielfältigen Aspekten der aktuellen Pandemie befasst.

Zum Höhepunkt der Veranstaltung waren beinahe 50 Zuhörer zugeschaltet, hauptsächlich aus São Paulo und Rio de Janeiro, aber auch aus anderen brasilianischen Bundesländern sowie aus Deutschland.

Die Wissenschaftler Stephan Ludwig und Sotiris Missailidis (links) und Prof. Marcos Buckeridge (rechts).

Pandemie in beispiellosem Ausmaß

„Diese Pandemie ist real und gravierend, und sie breitet sich auf der ganzen Welt aus”, betonte Ludwig. Er verglich die aktuellen Sars-CoV-2-Daten mit den Zahlen zwei anderer Pandemien, die durch unterschiedliche Coronavirus-Stämme verursacht wurden: Sars-CoV (2002 und 2003) und Mers-CoV (2012). Diese beiden Krankheiten töteten zusammen insgesamt 2000 Menschen, und Krankheitsfälle wurden in 32 bzw. 27 Ländern registriert.

Der deutsche Wissenschaftler, Mitglied der Pandemiekommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), erläuterte den Zuschauern die bisher weltweit analysierten Medikamente und Behandlungsformen gegen Covid-19. Zu den von Ludwig angeführten therapeutischen Methoden gehören zwei den Brasilianern hinreichend bekannte Medikamente – Chloroquin und Hydroxychloroquin.

Der Virologe hob hervor, dass anfangs, als die auf diesen Substanzen aufbauende Behandlung zur Sprache gebracht wurde, große Hoffnung auf sie gesetzt wurde. Klinische Studien hätten jedoch die Wirksamkeit der Therapie nicht nachgewiesen. Im Gegenteil, in vielen Fällen seien schwerwiegende Nebenwirkungen aufgetreten. „Auch wenn einige Präsidenten die Verwendung dieser Arzneimittel befürworten, empfehle ich sie nicht”, bekräftigte Ludwig.

Der Direktor des Instituts für Virologie der Universität Münster beendete seinen Beitrag mit der Feststellung, dass es bislang weder Medikamente noch Behandlungsformen gebe, die nachweislich erfolgreich gegen das Virus wirken. Der Wissenschaftler hob jedoch hervor, es gebe positive Meldungen bei der Verwendung von Dexamethason zur Behandlung von Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit.

„Dexamethason reduziert die Todesfälle bei maschinell beatmeten Patienten um ein Drittel und bei Patienten mit Sauerstofftherapie um ein Fünftel”, zitierte er eine Studie mit mehr als 6000 Patienten. Wie Ludwig weiter ausführte, werde Dexamethason normalerweise zur Behandlung von Asthma, Allergien und Entzündungen eingesetzt, es handele sich zudem um ein kostengünstiges und weit verbreitetes Medikament.

Impfstoffwettlauf in Brasilien

In Brasilien, einem Land, in dem die erste Welle der Krankheit noch nicht abgeklungen ist und das aufgrund von Covid-19 mehr als 1000 tägliche Todesfälle verzeichnet, werden mindestens zwei Impfstoffe im großen Rahmen getestet: einer dieser Impfstoffe wurde von der Universität Oxford in Großbritannien und der andere vom chinesischen Pharmakonzern Sinovac entwickelt.

In der Online-Debatte stellte Sotiris Missailidis von Fiocruz dem Publikum die kürzlich zwischen dem Institut und der anglo-schwedischen Pharmagruppe AstraZeneca geschlossene Partnerschaft für den Kauf des dort zukünftig produzierten Impfstoffs sowie den Technologietransfer des von der britischen Universität entwickelten Serums gegen Covid-19 vor.

„Es gibt eine Reihe von Behandlungen und Impfstoffen, die derzeit weltweit getestet werden. Das am weitesten fortgeschrittene Verfahren ist jedoch das der Universität Oxford, das bereits in der zweiten und dritten klinischen Studienphase getestet wird,” hob Missailidis hervor. Der griechische Wissenschaftler wies auch darauf hin, dass in Brasilien mehr als fünftausend Menschen an der Studie beteiligt sind. Es gebe außerdem drei weitere vielversprechende Initiativen – die Impfstoffe der deutschen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) sowie der Pharmakonzerne Moderna Therapeuthis in den USA und Sinovac in China.

In seinem Vortrag erläuterte der Leiter des Bio-Manguinhos-Instituts den Ablauf des Impfstoffproduktionsprozesses von der Konzeption der Behandlung bis zur Produktion in großem Maßstab. „Angesichts der gegenwärtigen Situation auf der ganzen Welt mussten wir einige dieser Phasen beschleunigen, um der Gesellschaft schnelle Antworten anbieten zu können”, sagte Missailidis.

Sotiris Missailidis spricht über die verschiedenen Technologien, die zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 verwendet werden.

Der Wissenschaftler wies darauf hin, dass die präklinische Studienphase der Impfstoffe – die Grundlagenforschung, bei der neue Impfstoffoptionen identifiziert werden – sehr schnell abgeschlossen worden sei. Um die Studien zu beschleunigen, seien viele Laboratorien dazu übergegangen, Testphasen, die normalerweise nacheinander abgewickelt würden, zeitgleich durchzuführen. „In vielen Fällen wurde sogar die Produktionskapazität in den Pharmakonzernen im Voraus entwickelt, obwohl es noch keine Garantie für die Wirksamkeit der Impfstoffe gab”, unterstrich der Wissenschaftler. Alles sei unternommen worden, um die Antworten der Wissenschaft gegen Covid-19 zu beschleunigen.

Trotz der Fortschritte beim Oxford-Impfstoff schließt Missailidis Studien an anderen Fronten zur Bekämpfung von Covid-19 nicht aus. „Unsere Mission ist, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich mit einem Impfstoff zu versorgen. Wir analysieren die unterschiedlichen Technologien vieler Unternehmen weltweit, auch im Hinblick auf unsere Produktionskapazität, um festzustellen, welche dieser Technologien im Rahmen der brasilianischen Vertriebs- und der Produktionsrealität umgesetzt werden können”, schloss der Fiocruz-Experte ab.

Über die Serie DWIH São Paulo Online Talks

Marcio Weichert, Koordinator des DWIH São Paulo, stellte bei der Eröffnung des Webinars die Gründe vor, die die deutsche Institution zur Konzeption von Online-Veranstaltungen über das neue Coronavirus bewegt haben. „Mit dieser Reihe haben wir einen Weg gefunden, unsere Rolle weiterhin zu erfüllen, nämlich der wissenschaftlichen und akademischen Gemeinschaft in Brasilien und Deutschland einen Kommunikations- und Austauschkanal zu bieten.”

Wie der Koordinator des DWIH São Paulo hervorhob, besteht das Ziel dieser virtuellen Veranstaltungen darin, Themen mit Pandemiekontext zu behandeln, insbesondere im Hinblick auf die durch Covid-19 gesetzten Herausforderungen: Überleben der Krankheit, Anpassung der Menschen und der Gesellschaft an Isolationsmaßnahmen sowie die Gestaltung der Zukunft nach der Pandemie.

„Die Zukunft hängt davon ab, wie die Menschheit diesen Krieg gegen das neue Coronavirus führen wird. Und um ihn zu gewinnen, müssen wir verstehen, gegen wen wir kämpfen. Deshalb ist die Forschung in diesem Moment so grundlegend”, bekräftigte Weichert.

Die Webinare finden in zwei Serien mit jeweils drei 60- bis 90-minütigen Konferenzen statt. Dabei steht jeweils eines der Themen im Mittelpunkt: Überleben, Leben und Gestaltung der Zukunft, wobei immer brasilianische und deutsche Spezialisten aus verschiedenen Wissensgebieten zu Wort kommen. Die Veranstaltungen finden auf der Plattform Adobe Connect http://daad.reflact.com/dwihsponlinetalks statt, und die offizielle Sprache ist Englisch. Die nächste Ausgabe von Online Talks findet am 26. August um 10:30 Uhr brasilianischer Zeit statt (15:30 Uhr in Deutschland).

Über DWIH São Paulo

Mit der Einweihung des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses São Paulo (DWIH São Paulo) im Jahr 2012 hat Deutschland auf Initiative des Auswärtigen Amtes einen wichtigen Schritt in Richtung einer Vertiefung der engen 50-jährigen Zusammenarbeit mit brasilianischen Wissenschafts- und Forschungspartnern vollzogen.

Das DWIH São Paulo fördert nicht nur die Visibilität deutscher Innovationsstandorte in Brasilien, sondern auch die Synergie und den Austausch zwischen Institutionen in beiden Ländern – insbesondere in São Paulo, wo sich die größte Konzentration brasilianischer Forschungszentren sowie deutscher Unternehmen außerhalb Deutschlands befindet.

Als wichtige Kontaktstelle zwischen Menschen und Institutionen in Brasilien und Deutschland im Bereich Hochschulbildung, Wissenschaft, Forschung und wissenschaftliche Innovation trägt das DWIH São Paulo durch seine Arbeit zu einer nachhaltigen sozialen und wissenschaftlichen Entwicklung zwischen den beiden Ländern bei.