Covid 19 hat Wege eröffnet und Transformationen beschleunigt
Die dritte Folge der Sonderserie des DWIH São Paulo zu Covid-19 befasste sich mit den Lehren, die sich für Gesellschaft und Hochschulbildung aus der Pandemie ziehen lassen.
Neue Wege und Veränderungen, die sich für die Gesellschaft und den Hochschulbereich über die Pandemie hinaus ergeben, aufzuzeigen und zu verfolgen. Dies war das Hauptziel der beiden vom Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH São Paulo) eingeladenen Referenten Prof. Daniel Martins de Barros und Prof. Marcelo Parreira do Amaral in einer Online-Debatte über die postpandemische Zukunft, die am Montag, den 14. September unter dem Thema „Shaping the future of society and higher education“ veranstaltet wurde.
„Covid-19 hat ein Gefühl der Dringlichkeit im Hinblick auf das Überdenken konventioneller Hochschulmodelle erzeugt und einen neuen virtuellen Kontext geschaffen, den die Hochschuleinrichtungen nicht ignorieren können”, betonte der brasilianische Professor Marcelo Parreira do Amaral vom Pädagogischen Institut der Universität Münster (WWU).
Für den Fachmann auf dem Gebiet der globalen Bildung beschränkt sich das Vermächtnis des neuen Coronavirus nicht nur auf Online-Erfahrungen zwischen Professoren und Studenten, es hat auch zu Transformationen geführt, die sich bereits in der Infrastruktur der Bildungsorganisationen abgezeichnet hatten. Mit anderen Worten, so Amaral, habe die Pandemie Veränderungen beschleunigt, die schon seit geraumer Zeit im akademischen Bereich diskutiert worden seien.
Hochschulszenario im Umbruch
„In der Debatte über die Bildungspolitik gab es bereits eine Reihe von Referenzen, die sich mit Fragen wie Reform, Umwandlung und sogar Neugestaltung der Hochschulbildung befassten,” bekräftigte der Wissenschaftler. Unter Berufung auf zahlreiche internationale Literaturbeiträge zu diesem Thema erläuterte der Professor, dass diese Veränderungen im Bildungsszenario bereits durch die wissensbasierte Wirtschaft forciert worden seien, in der sich Hochschulbildung und Wissenschaft zu wichtigen Stützen für die Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten entwickelt hätten.
„Begriffe wie unternehmerisch, digital, virtuell, Einbettung und disruptiv, mit denen in der akademischen Welt gearbeitet wird, zeigen bereits eine Vorstellung von der zukünftigen Bildung an Universitäten an“, betonte Amaral. Der Wissenschaftler wies jedoch darauf hin, dass es – obwohl die Vereinigung dieser beiden Welten bereits Realität sei – akademische Bewegungen gebe, die diese Annäherung zwischen Hochschulbildung und Markt mit großer Skepsis beobachteten. Und dieser Konflikt werde weiter bestehen – auch nach der Pandemie.
Für Amaral hat die Covid-19-Pandemie also zu Veränderungen und neuen Ansätzen in der Hochschulbildung geführt. Die Zukunft sei jedoch noch ungewiss, glaubt der Professor, der seinen Beitrag an der Online-Veranstaltung mit dem Resümee abschloss, die Gesellschaft müsse die Auswirkungen der zukünftigen Hochschulbildung auf Forschung, Politik und akademische Laufbahnen weiterhin im Auge behalten.
Der Einfluss der Pandemie auf unsere Emotionen
Die Covid-19-Pandemie hat eine Reihe sozialer Veränderungen verursacht. Über Nacht mussten die Menschen ihre Wohnungen in Räume umgestalten, die gleichzeitig der Arbeit, der Freizeit und der Bildung dienten. Diese neue Beziehung zu physisch begrenzten Räumen führte zu „neuen Gebietsstreitigkeiten” und konfrontierte weite Teile der Weltbevölkerung mit einer Flut von Emotionen wie Beklemmung, Angst, Wut, Traurigkeit und Stress – so beschrieb Daniel Martins de Barros, Professor der Psychiatrieabteilung an der Fakultät für Medizin der Universität São Paulo (USP), die durch Covid-19 entstandene Lage.
Seit März (als die soziale Isolation in Brasilien begann) klagten die meisten seiner Patienten über Stress, Beklemmung und Traurigkeit. Und was seien, fragte Martins, die natürlichen Reaktionen in diesem Kontext? „Wir erleben in uns ein Anwachsen von Depressionen, Angst und Wut und müssen verstehen, warum diese Gefühle existieren und nicht versuchen, sie einfach herunterzuspielen,” so seine Analyse.
Gefangene im eigenen Zuhause
Nach Ansicht des Psychiaters produziert der forcierte Aufenthalt im eigenen Zuhause, insbesondere in Zeiten sozialer Isolation, eine Reihe von Verhaltensweisen, die einem Wettbewerb ähneln. „Es gibt Streit um das Sofa, um die Fernbedienung, um den Computer, und das erzeugte ein Gefühl der Wut in unserem Leben.” Neben dem Disput um Gegenstände gibt es auch Streit um Rechte und Pflichten im familiären Umfeld.
„Wenn nur eine Person im Haushalt kocht, wäscht, putzt und sich um alle Hausarbeiten kümmert, fühlt sich diese Person im Verhältnis zu anderen Familienmitgliedern sicherlich ungerecht behandelt”, erklärte der Professor. „Und wir werden noch nervöser, wenn wir unsere Position als ungerecht empfinden. Um mit einer solchen Situation umzugehen, muss zwischen allen Bewohnern der Wohnung eine Vereinbarung getroffen werden, um nicht nur eine Person zu überlasten.”
Wie Martins hervorhob, wirkt die Pandemie wie eine Lupe, die Probleme aufzeigt und verschärft, die bereits in unserer Gesellschaft bestehen. „Das heißt, wenn wir etwas mehr über diese Emotionen verstehen, warum wir sie fühlen und wie wir mit ihnen umgehen können, werden wir meiner Meinung nach einige Lehren aus der Pandemie ziehen und eine neue und bessere Zukunft schaffen”, schloss der Wissenschaftler ab.
Dies war die dritte Folge der Reihe DWIH São Paulo Online Talks “Surviving, Living and Shaping the Future in the Time of Covid-19”, die zum Ziel hatte, verschiedene Aspekte der Pandemie aus wissenschaftlicher Sicht zu diskutieren. An der Debatte, die von Professor Marcos Buckeridge, Direktor des Biowissenschaftlichen Instituts der Universität São Paulo (IB-USP) moderiert wurde, nahmen auch Nora Jacobs, Vorstandsmitglied des DWIH São Paulo sowie DWIH-Koordinator Marcio Weichert teil.
Weitere Informationen zur Reihe DWIH São Paulo Online Talks
Ziel dieser vom DWIH São Paulo geförderten virtuellen Veranstaltungen war, Themen im Zusammenhang mit der Pandemie zu diskutieren, und sich dabei insbesondere mit den Herausforderungen im Hinblick auf das Überleben der Krankheit, die Anpassung von Menschen und Gesellschaft an die Isolation und den Aufbau der Zukunft nach der Pandemie zu befassen.
Jedes Treffen in der Reihe behandelte eines der Themen: surviving, living e shaping the future (Überleben, Leben und Gestaltung der Zukunft) und zählte auf die Teilnahme von brasilianischen und deutschen Spezialisten aus verschiedenen Fachgebieten. Die Veranstaltungen fanden über die Plattform Adobe Connect statt und ihre offizielle Sprache war Englisch.