Verhältnis zwischen Einkommen und Gesundheit ist ausschlaggebend für Zuwachs an sozialer Ungleichheit
Die Debatten der digitalen Veranstaltung „Auswirkungen der Pandemie auf soziale Ungleichheit und Gesundheit”, veranstaltet vom DWIH São Paulo, skizzieren die soziale Kluft, die durch die Herausforderungen der Covid-19-Gesundheitskrise verstärkt wurde.
Die Covid-19-Pandemie löste einen riesigen Schock aus, nicht nur aufgrund der Intensität und des Umfangs, sondern auch wegen den Folgen im sozialen Bereich. Die Gesundheitskrise war universell, aber die Auswirkungen auf die jeweiligen sozialen Schichten war unterschiedlich, wobei sie die weniger privilegierte Bevölkerung noch verletzbarer machte.
„Das Verhältnis zwischen Einkommen und Gesundheit ist ausschlaggebend für die Zunahme an sozialer Ungleichheit in der Welt. Menschen mit einem geringeren Einkommen haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken”, betonte Till Bärnighausen, Direktor des Institute of Public Health der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Der deutsche Wissenschaftler und die Professorin des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der staatlichen Universität von Rio de Janeiro (UFRJ) Lena Lavinas diskutierten zu dem Thema „Auswirkungen der Pandemie auf soziale Ungleichheit und Gesundheit”, dem ersten Talk der Veranstaltungsserie DWIH São Paulo Online Talks (DSPOTs) 2021 „Gesellschaft im Wandel: Auswirkungen der Pandemie”, der am Montag, den 8. November, stattfand.
Bei dieser Veranstaltung hob Bärnighausen hervor, dass „kranke Menschen sehr viel weniger die Fähigkeit haben, ein Einkommen zu erarbeiten, und folglich auch weniger Zugang zu medizinischer Behandlung haben.” Laut Bärnighausen erschweren diese Krankheiten die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben und ein gutes Leben zu führen. „Die Gesundheit ist eine Vorbedingung, finanziell versorgt und glücklich zu sein”, fügte er hinzu.
Aus der Sicht des deutschen Forschers, der bereits mehrere Studien in renommierten Fachzeitschriften publiziert hat, wurde dieses Szenario durch die Covid-19-Pandemie noch deutlicher. „Die Ärmsten, bedingt durch den Beruf, den sie ausüben, können sich nicht isolieren, wodurch sie dem Virus noch weiter ausgesetzt werden, im Vergleich zu vermögenderen Personen, die mit der Wissensgenerierung arbeiten und höhere Chancen auf Homeoffice haben.
Dennoch, erklärte Bärnighausen, sei es einfach, diesen Teufelskreis von Armut und Krankheit zu durchbrechen. Die Antwort sei der kostenlose Zugang zu effektiven Heilverfahren. Dem Professor nach wurde diese Korrelation bereits in großangelegten Studien zu HIV in Afrika nachgewiesen. Sobald der Patient eine angemessene Behandlung erhält, kann er wieder seine Position auf dem Arbeitsmarkt einnehmen.
Finanzierung der Sozialpolitik
Prof. Lena Lavinas, Expertin in Finanzierung der Sozialpolitik, zeigte während der virtuellen Veranstaltung wiederum eindeutige Verbindungen auf, wie der Kapitalismus das öffentliche Gesundheitswesen in Brasilien demontiert und die soziale Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter vergrößert.
„In zwei Worten können wir sagen, dass die aktuelle Phase des Kapitalismus von der beispiellosen Expansion des finanziellen Reichtums dominiert wird, insbesondere von jenem, der sich auf Verschuldung stützt.“ Lavinas stellte Daten vor, die zeigen, dass der Großteil der brasilianischen Familien (74,6%) mehr verbrauchen, als sie verdienen. Diese Situation verschlimmerte sich durch die Unsicherheit des Arbeitsmarktes während der Pandemie.
„Die Ungleichheit bezüglich des Einkommens wurde auf dem Arbeitsmarkt noch verstärkt. Das Einkommen reicht nicht aus, dass die Menschen ihren Grundbedürfnissen nachkommen, und müssen daher auf eine dauerhafte Verschuldung zurückgreifen.”
Aus Sicht der Ökonomin wächst die Verschuldung dieser Familien, nicht nur aufgrund der niedrigen Vergütung, sondern auch da die Versorgung im öffentlichen Dienst, wie dem Gesundheits- oder Bildungswesen, in den Händen von Finanzgruppen liegt. “Das universelle Recht auf Gesundheit hängt immer mehr von der Maximierung des Gewinns und der Entlohnung von Aktionären und Investoren ab.”
Wie bereits von beiden Referenten betont wurde, vergrößerte sich die soziale Kluft zwischen Arm und Reich während der Pandemie. Allein in Brasilien unterschritten mehr als fünf Millionen Menschen die Armutsgrenze, so eine Studie der FGV. Gleichzeitig jedoch, so eine Datenerhebung des Forbes Magazine, stieg in 2020 nicht nur die Zahl der Milliardäre in der Welt deutlich an, von etwas über 2000 auf 2755. Der Reichtum dieser kleinen Bevölkerungsgruppe stieg von 8 Billionen Doller auf 13 Billionen an.
„Fast 10% dieser Milliardäre kommen aus dem Gesundheitsbereich und arbeiten mit Impfungen, medizinischen Geräten, Gesundheitsdiensten, oder besitzen Krankenhäuser, Kliniken oder Labore. Von diesen 11 Milliardären aus dem Gesundheitsbereich, die vom Forbes Magazine aufgelistet wurden, sind sechs von ihnen Brasilianer”, schilderte Lavinas.