200 Jahre Fritz Müller: von der Biodiversität des Atlantischen Regenwaldes zur Evolutionstheorie
Neben seinem Vermächtnis für die Erforschung der Botanik und Zoologie in Brasilien trug der deutsche Naturforscher auch dazu bei, die Evolutionstheorie von Charles Darwin zu festigen. Am 31. März 2022 wird der 200. Geburtstag des Wissenschaftlers gefeiert.
Welche Herausforderung treibt einen jungen deutschen Forscher dazu, über den Atlantik zu nicht erschlossenen Ländern zu reisen? Für Johann Friedrich Theodor Müller, besser bekannt als Fritz Müller, war es die Faszination für das Studium der Botanik und der Naturgeschichte in einem tropischen Land.
Der 1822 geborene deutsche Naturforscher wanderte im Alter von 30 Jahren nach Brasilien aus und begann, die Biodiversität des Atlantischen Regenwaldes (Mata Atlântica) zu katalogisieren. Müller führte wichtige Studien auf dem Gebiet der Botanik und Zoologie in Brasilien durch und leistete einen wichtigen Beitrag zur Festigung der Evolutionstheorie von Charles Darwins .
Der in Deutschland in Philosophie und Medizin promovierte Naturwissenschaftler verfügte auch über solide Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften. Als er 1852 nach Brasilien auswanderte, wohnte Müller zunächst vier Jahre lang als Siedler in einer deutschen Kolonie auf dem Land, wo heute die Stadt Blumenau (SC) liegt.
Anschließend zog er nach Desterro (heute Florianópolis), wo er die brasilianische Staatsbürgerschaft annahm und elf Jahre lang, von 1856 bis 1867, als Professor am Liceu Provincial lehrte. Laut einigen Historikern fand der deutsche Forscher in Brasilien günstige Bedingungen für die Durchführung seiner Forschung. Zu dieser Zeit stand Brasilien unter der Herrschaft von D. Pedro II, einem Liebhaber der Wissenschaft und der Künste, der sich für die Erforschung der Botanik im Land einsetzte und sie förderte. So war es kein Zufall, dass Müller zwischen 1876 und 1891 die Stelle eines reisenden Naturforschers im Auftrag des Nationalmuseums innehatte.
Der Forscher registrierte zahlreiche Beobachtungen in der Fauna und Flora des Atlantischen Regenwaldes in der Umgebung der Städte Blumenau und Florianópolis. Müller konzentrierte seine Studien besonders auf wirbellose Tiere wie Krebse, Quallen und Insekten. Er untersuchte aber auch die Wechselbeziehungen zwischen Insekten und Pflanzen und beobachtete eingehend den Inquilinismus von Orchideen und Bromelien.
Fritz Müller erstellte 266 wissenschaftliche Studien, davon 253 in Brasilien. Mindestens 37 davon hielt er in Briefen fest, die er an seine Naturforscherkollegen schickte. Diese wiederum veröffentlichten sie in europäischen und nordamerikanischen wissenschaftlichen Zeitschriften.
Ein von ihm beobachtetes Naturphänomen erhielt sogar den Namen des Naturforschers: die Müllersche Mimikry. Es handelt sich um ein Phänomen der natürlichen Auslese, bei dem zwei verschiedene giftige Arten davon profitieren, dass sie einander ähnlich sind, entweder in ihrer physischen Erscheinung oder weil sie denselben Lebensraum teilen.
Unterstützung der Evolutionstheorie
Der deutsche Naturforscher war einer der ersten expliziten Unterstützer der Evolutionstheorie des britischen Biologen Charles Darwin. Der Theorie zufolge haben alle Lebewesen einen gemeinsamen Vorfahren, der im Laufe der Zeit kontinuierlich kleine Veränderungen erfahren hat (heute als genetische Mutationen bekannt). Anhand der Aufzeichnungen von Jahrhunderten der Evolution von Lebewesen auf der Erde hat Darwin nachgewiesen, dass die Überlebenschancen und die Erzeugung von Nachkommen eines Lebewesens anstiegen, wenn eine Veränderung für das Überleben dieses Organismus in seiner Umgebung günstig war. Im gegenteiligen Fall starb das Lebewesen, bevor es sich fortpflanzen konnte, wodurch verhindert wurde, dass die Mutation weitergegeben wurde.
Fritz Müller war begeistert von der neuen Theorie und vertiefte seine bereits durchgeführten Studien und Beobachtungen, die in dem Buch „Für Darwin“ veröffentlicht wurden. Die Studie brachte eine Reihe fundierter Evidenzen, mit denen die damals neue Theorie wissenschaftlich untermauert wurde. Aufgrund der Bedeutung der darin enthaltenen Informationen bat Darwin Müller um Erlaubnis, das Buch ins Englische zu übersetzen.
Als Anerkennung für die Bedeutung seiner Studien wurde Müller von Charles Darwin sogar mit einem Spitznamen geehrt, er nannte ihn „Prinz der Beobachter”. Der Wissenschaftler war vielleicht der wichtigste Naturforscher im Brasilien des 19. Jahrhunderts.
Anlässlich des 200. Geburtstags des deutschen Naturforschers bieten das DWIH São Paulo und die Brasilianische Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaft (SBPC) auf der 74. SBPC-Jahrestagung eine Ausstellung und einen Vortrag zum Werk Fritz Müllers und würdigen damit diesen großen Sprung, den die Wissenschaft aufgrund von Müllers Beobachtungen in Brasilien vollziehen konnte.