Projekt für biologisch abbaubare Stents gewinnt den Falling Walls Lab Brazil 2022
Mit dem Vorschlag, einen biologisch abbaubaren Stent zu entwickeln und somit das Risiko für die Patienten zu reduzieren, war Isabella Rodrigues, Maschinenbau-Doktorandin an der Landesuniversität Campinas (Unicamp) die große Gewinnerin der Ausgabe 2022 des Falling Walls Lab Brazil am 8. September in Porto Alegre. Damit gewann zum ersten Mal eine Frau die brasilianische Etappe des Wettbewerbs – die Plätze zwei und drei wurden ebenfalls von Frauen belegt.
Laut Rodrigues entstand die Idee zur Entwicklung des Stents, nachdem eine gute Freundin ihren Mann durch einen Herzinfarkt verloren hatte. Herzerkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache, insbesondere solche, die durch Ischämie verursacht werden (wenn sich Cholesterinplaques an den Wänden der Arterien ansammeln und den Blutfluss blockieren). Wenn dies geschieht, muss entweder ein Bypass implantiert werden, um einen neuen Weg für den Blutfluss schaffen, oder ein Stent, eine Prothese in Röhrchenform, die in der Koronararterie positioniert wird, um diese zu erweitern und das Blut hindurchzulassen. Im Laufe der Zeit können jedoch aufgrund von Entzündungen oder Thrombosen Probleme auftreten.
Der Vorschlag der Forscherin besteht darin, Stents herzustellen, die nach Erfüllung ihrer Funktion vom Körper absorbiert werden. Die mit bereits in der Medizin verwendeten synthetischen Polymeren und Proteinen aus dem Körpergewebe (wie Kollagen und Elastin) entwickelten Stents würden nur etwa 200 US-Dollar kosten, also 97% weniger als der Höchstpreis eines herkömmlichen Stents, so die Doktorandin.
Rodrigues gewann eine Reise nach Deutschland, um im November am Weltfinale des Falling Walls Lab in Berlin teilzunehmen und ihr Projekt einem internationalen Publikum vorzustellen. Dazu wird sie von Euraxess für den Pitch, den sie in der deutschen Hauptstadt präsentieren wird, geschult.
Architektur belegt den zweiten Platz
Der zweite Platz ging an Taís Alves, Architektin mit Abschluss an der Universität São Paulo (USP) und einem Master-Abschluss an der Polytechnischen Universität Madrid und an der ETH Zürich, die ihr Projekt „Breaking the Wall of Inefficient, CO2 Emitting Construction” vorstellte. Sie und das Team von Archflex haben eine Software entwickelt, mit der es gelingen soll, klimaneutrales Bauen in der Praxis umzusetzen.
Basierend auf einer Datenbank zeigt das Programm bereits während der Entwurfsphase eventuelle CO2-Emissionen des geplanten Bauwerks an. So ist es schon direkt über die Software möglich, ökologisch korrekte Materialien zu verwenden und nachhaltige Projekte mit geringer Umweltbelastung durchzuführen. Alves wird ebenfalls am Falling-Walls-Lab-Finale in Berlin teilnehmen, da die Falling-Walls-Stiftung kurz vor der brasilianischen Veranstaltung einen zweiten Finalisten für das Land zugelassen hat.
Der dritte Platz ging an das Projekt „Breaking the Wall of Changing Agriculture With Nanotechnology”, vertreten durch Camila Didio Rodrigues Chaves, Masterstudentin in Geostatistik an der Bundesuniversität Rio Grande do Sul (UFRGS) und Gründerin des Startups PBF Nutrition. Sie stellte ein biologisch abbaubares und ungiftiges Produkt namens Fênix-C vor. Mit einer von Unicamp entwickelten und patentierten Technologie, es wird aus landwirtschaftlichen Abfällen hergestellt, stimuliert die Photosynthese in Pflanzen und hat – den Tests des Startup-Teams zufolge – das Potenzial, die Produktivität auf dem Feld zu steigern, die vom Klimawandel, insbesondere von Dürren und Frosteinbrüchen, beeinträchtigt ist.
DAAD Unternehmerpreis
Das Projekt von Camila Chaves gewann auch den Unternehmerpreis des DAAD, der Projekte mit Marktpotenzial auszeichnet und zur Teilnahme an der DAAD Innovation Week berechtigt. Die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Allianz Deutscher Technischer Universitäten TU9 veranstaltete Woche findet vom 10. bis 16. November in Deutschland statt und bietet die Teilnahme an Workshops und Möglichkeiten für Pitch-Präsentationen vor internationalem Publikum.
Der Publikumspreis ging an Danilo Santos, promovierter Geophysiker an der Bundesuniversität Bahia (UFBA) und Mitbegründer des Startups Exatamente Soluções Educacionais, für das Projekt „Breaking The Wall of Learning with Games”. Er schlug die Verwendung von Blockchain in einem Lernspiel vor, dessen Preis in Kryptowährungen vergeben wird, mit dem Ziel, die Studentinnen und Studenten beim Lernen zu stimulieren.
Breites Themenspektrum
Auch andern eingereichte Vorschläge wurden von der Jury lobend erwähnt. Zu den kreativen Lösungen gehörte der Einsatz von maschinellem Lernen in biologischen Sequenzen; die Verwendung von Rückständen aus der Schokoladenproduktion bei der Herstellung von Kosmetikprodukten; ein Gerät, das es ermöglicht, aus der Ferne das Vorhandensein der Mücke Aedes aegypti zu erkennen und diese Gebiete auf Karten zu registrieren; ein Spiel, um die Vermittlung durch Algorithmen zu lehren und kritisch darüber nachzudenken; die Verwendung von Bio-Metamaterialien zur Minderung der Lärmbelästigung; die Entwicklung von Bio-Verbandsmaterial mit antimikrobiellen Peptiden; die Verwendung von Rückständen aus der Obstverarbeitung zur Gewinnung von Ethanol-Extrakten zum Schutz der Plantagen gegen Insekten und Mikroorganismen; die Entwicklung von Polymeren zur Anwendung mit Düngemitteln; die Nutzung von Daten und Geotechnologie bei der Analyse von Umweltmerkmalen zur Verbesserung der Städteplanung in Lateinamerika; und ein Sensor, mit dem Wasserstände aus der Ferne gemessen werden können, was bei der Bekämpfung der Auswirkungen von Überschwemmungen sehr hilfreich sein kann.
Der Jury, die im Wissenschafts- und Technologiepark (Tecnopuc) der Päpstlich-Katholischen Universität von Rio Grande do Sul (PUCRS) in Porto Alegre zur Beurteilung der Projekte zusammentraf, gehörten folgende Mitglieder an: Robert Schade, DAAD-Lektor an der UFRGS; Cláudia Lima Marques, Direktorin der Juristischen Fakultät der UFRGS und des Zentrums für Europäische und Deutsche Studien (CDEA); Carlos Eduardo Pereira, Professor an der Fakultät für Ingenieurwesen der UFRGS und Direktor der Brasilianischen Gesellschaft für industrielle Forschung und Innovation (Embrapii); Tatiana Rocha, Professorin an der Universität Vale do Rio dos Sinos (Unisinos) und brasilianische Vertreterin im Bündnis der sieben führenden Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Deutschland (UAS7); Rafael Chanin, Professor an der Polytechnischen Fakultät in der PUCRS und Leiter im Startup-Bereich; Marcus Coester, Geschäftsführer von Aerom Sistemas de Transporte und ehemaliger Präsident der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in RS; sowie Thaís Rücker, Journalistin und Koordinatorin für digitale Inhalte für die GZH-Webseite der RBS-Gruppe.
Der jährlich in Brasilien vom DWIH São Paulo organisierte Wettbewerb, eine Initiative der Falling Walls Stiftung, wurde live übertragen, in diesem Jahr in Partnerschaft mit dem DAAD, dem Auswärtigen Amt, Tecnopuc und Euraxess.
Text: Rafael Targino