Leibniz-Preisträgerin Stefanie Dehnen: Grundlagenforschung ist kein Luxus
Professor Stefanie Dehnen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird Ende November an zwei Veranstaltungen in São Paulo und Rio de Janeiro zum Thema „Die Rolle der Grundlagenforschung und angewandten Wissenschaften für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele“ teilnehmen. Als Leibniz-Preisträgerin aus dem Jahr 2022 wird sie in den beiden Städten jeweils eine Leibniz-Lecture über ihre Forschungsarbeit halten und wie dadurch die zwei Arten von Wissenschaft zusammengeführt werden können.
Dehnen hält es für eine besorgniserregende Entwicklung, wenn Grundlagenforschung als „Luxus“ angesehen wird, obwohl sie für die angewandte Forschung unverzichtbar ist. „Ich denke nicht, dass Grundlagen- und Spitzenforschung notwendigerweise unterschiedliche Dinge sind“, erklärte sie im Interview mit dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) São Paulo per E-Mail.
Die Veranstaltungen finden am 28. November in São Paulo und am 29. November in Rio de Janeiro auf Englisch statt und werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie der Brasilianischen Akademie der Wissenschaften (Academia Brasileira de Ciências – ABC) organisiert. Unterstützt werden sie vom Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) São Paulo und lokalen Partnern wie dem Research Centre for Greenhouse Gas Innovation in São Paulo und dem Labor zur Förderung der technologischen Entwicklung der Bundesuniversität Rio de Janeiro.
Mehr Informationen sind in unserem Veranstaltungskalender verfügbar: São Paulo / Rio de Janeiro).
Worauf wird der Schwerpunkt Ihrer Leibniz-Lecture liegen?
Ich werde über unsere Forschung im Bereich Cluster-basierter Materialien berichten. Wir spannen hierbei einen Bogen zwischen rein Neugier-getriebener Grundlagenforschung und anwendungsorientierten Visionen. Ich werde diese beiden Aspekte zusammenzubringen, denn ich bin überzeugt, dass auf Dauer keiner der beiden Ansätze ohne den anderen auskommt.
Welche Rolle spielen die Grundlagen- und die Spitzenforschung bei der Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele?
Ich denke nicht, dass Grundlagen- und Spitzenforschung notwendigerweise unterschiedliche Dinge sind – Grundlagenforschung kann und sollte auf höchstem Niveau stattfinden. Eine Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung ist hingegen möglich – und hier meine ich, dass beides essenziell ist: die Grundlagenforschung verschafft uns auf Dauer die notwendigen Kenntnisse, um Probleme anzugehen, die wir zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele lösen müssen. Ohne fundierte Kenntnisse würden wir irgendwann orientierungslos forschen oder uns in Optimierungsaufgaben verlieren, anstatt auf Basis innovativer Entdeckungen gezielt neue Richtungen einschlagen zu können.
Grundlageforschung ist demnach kein Luxus, sondern notwendig für nachhaltige wissenschaftliche Forschung; es ist erschreckend, dass der Trend weltweit in eine andere Richtung geht. Aber auch anwendungsorientierte Forschung ist dringend notwendig, um die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schließlich in die Praxis zu überführen. Insofern geht beides untrennbar Hand in Hand.
Wie könnte Ihrer Meinung nach speziell Ihre Forschung – mit einem Fokus auf die Synthese und Untersuchung von Verbindungen mit multielementaren molekularen Nanoarchitekturen – zur Erreichung der von der UN festgelegten Ziele beitragen?
Wir hoffen, mit unseren innovativen Materialien das Spektrum funktioneller Verbindungen zu erweitern und so einen Baustein für Entwicklung neuer Energieträger, neuer Leuchtstoffe oder neuer Katalysatoren beizutragen. Die große Varianz der Elementkombinationen, mit denen wir umgehen, ist eine ausgezeichnete Grundlage für die Entdeckung neuer chemischer und physikalischer Eigenschaften unserer Stoffe mit großem Potenzial für die genannten Anwendungsfelder.
Welche Erwartungen haben Sie an Ihren Besuch in Brasilien?
Dies ist mein erster Besuch in Brasilien – und in Südamerika insgesamt. Insofern bin ich sehr gespannt auf das Land und die Menschen dort, und ich freue mich sehr auf den Austausch mit ihnen zu fachlichen und außerfachlichen Themen.
Text: Rafael Targino